Vina Yun
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Kannst du festmachen, ab wann sich im Bezirk was geändert hat? Ich würde sagen, dass es schon vor zwanzig Jahren begonnen hat. Sehr langsam, aber dann kontinuierlich oder schubweise. Es gab öfters Versuche, den Straßenstrich wegzukriegen, und auch Bürger_innenproteste gegen ihn. Ich war definitiv keine Anhängerin davon, den Straßenstrich zu verbieten – unabhängig davon, ob ich das jetzt persönlich angenehm oder unangenehm finde, am Abend hier durchzulaufen und zu merken, dass manche Autos langsamer werden und neben dir herfahren, weil du für eine Sexarbeiterin gehalten wirst. Die Frage ist natürlich: Wohin werden die Sexarbeiter_innen dann verdrängt? Auch die Hostels, die es hier in der Gegend gibt, sind sehr sichtbare Zeichen dafür, dass hier etwas in Bewegung gerät oder sich verändert. Hast du das Gefühl, wenn du jetzt schaust, wer im Bezirk wohnt, dass sich das stark verändert hat? Es gibt jetzt mehr jüngere Leute, Studierende – wenn man nach dem Äußeren gehen kann –, die hat man hier früher, also vor zwanzig Jahren, kaum ge- sehen. Man sieht die jetzt nicht massenweise, aber doch immer wieder mal. Einerseits ist es natürlich interessant, wenn sich verschiedene künstlerische initiativen niederlassen im Bezirk und es Geschäfte und Lokale und auch Ausstellungsräume gibt, wo man hingehen kann. |
Gleichzeitig ist es halt auch ein Zeichen für einen Verdrängungsprozess. Im 15. wurde ja sehr viel renoviert und saniert, dadurch sind viele neue Be wohner_innen in den Bezirk gekommen. Die Bevölkerung - es ist jetzt nicht total ausgetauscht, aber das Gesamtbild ist jetzt schon heterogener. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass in vielleicht zehn Jahren die Heterogenität wieder abnimmt, weil sich dann nur noch bestimmte Leute die Mieten oder Eigentumswohnungen im Bezirk leisten können. Hast du ein Gefühl, dass es ein Miteinander gibt oder ein Nebeneinander im Bezirk? Ich weiß es eigentlich nicht. Mich hat mal eine ältere Frau angesprochen, die mit ihrer Tochter unterwegs war, und mich gefragt hat, was ich von der Gegend halte, ob es sicher ist in der Gegend. Es hat sich dann herausgestellt, dass sie sich hier eine Wohnung angeschaut haben, in der Gasgasse, da waren früher diese großen Postgebäude, die sind Ende der 2000er-Jahre abgerissen und zu einer Wohnanlage umgebaut worden. Was die Leute, die neu hierher ziehen, interessiert, ist nicht: Wer hat da bisher gewohnt? Sondern: Ist es hier angenehm zu wohnen? Ist es sicher? Das sind so die Fragen, die für sie im Vordergrund stehen. |
Friedrichsplatz
Das ist der Friedrichsplatz, der Platz vor der Volksschule. Ich komm da extrem häufig vorbei, am Tag sicher ein paar Mal, zum Beispiel auf dem Weg von oder zum Westbahnhof oder wenn ich einkaufen gehe, latsche ich eigentlich immer über den Platz. Der Platz wurde vor einigen Jahren umgebaut und neu hergerichtet. Früher war das eine asphaltgraue, triste Fläche. Jetzt ist der Platz viel freundlicher geworden und mir fällt auf, dass Leute aus der Umgebung gerne herkommen. Es gibt ein paar Bänke und Sitzgelegenheiten, wo migrantische Familien und Pärchen abhängen.
Hinterseite WestbahnhofDas ist die Hinterseite vom Westbahnhof. Ich habe das fotografiert, weil das früher, wie ich hergezogen bin, noch der Hintereingang vom Westbahnhof war. Damals befand sich hier ein Beisl oder Café. Immer, wenn ich in die Schule gefahren bin, bin ich durch dieses Lokal durchgegangen, weil das kürzer war, als um den Bahnhof herumzugehen. In diesem Beisl sind dann die Sandler und Männer, die schon morgens ein Bier brauchen, herumgestanden. Das ist eine starke Erinnerung. Als Kind fand ich das eher unangenehm und ich hatte auch ein bisschen Angst, ich bin aber trotzdem durchgegangen, zusammen mit meinem jüngeren Bruder. Diese Leute sind mittlerweile natürlich alle weg. Die Bahnhofsoffensive der ÖBB war da sehr erfolgreich. Ich frage mich manchmal, wo diese Menschen hingekommen sind.
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Mahnmal Turnertempel
Ecke Turnergasse/Dingelstedtgasse ist ein Mahnmal, hier ist früher ein jüdischer Tempel gestanden, der Turnertempel. Ich finde, man hätt das ein bisschen präsenter, sichtbarer machen können, die Tafel mit der Info ist recht klein und nicht sehr prominent aufgestellt. Ich habe lange Zeit nicht gewusst, dass ich in einem Bezirk wohne, der stark jüdisch geprägt war. Zum Beispiel auf der äußeren Mariahilferstraße, wo heute der Penny-Supermarkt ist, war früher das Café Palmhof, ein Konzert- lokal und Tanzcafé in jüdischem Besitz. Ich war sehr beeindruckt, als ich davon erfahren habe, heute sieht man einfach überhaupt nichts mehr davon. Das spricht auch von der Brutalität, mit der das jüdische Leben hier ausgelöscht worden ist, und es ist wichtig, davon zu erfahren. Das Forschungs- und Ausstellungsprojekt Herklotzgasse 21 hat die jüdische Geschichte im 15. Bezirk aufgearbeitet, deswegen weiß ich davon. Der Teil zwischen äußerer Mariahilferstraße und Sechshauser Straße war früher ein jüdisches Arbeiter_innenviertel, im 2ten war eher so die bürgerliche Klasse, soweit ich weiß. Hier, wo früher jüdische Arbeiter_innen angesiedelt waren, leben jetzt viele migrantische Arbeiter_innen. Ich glaub nicht, dass das ganz zufällig ist.
Bäckerei Schrott
Die Bäckerei hat´s schon gegeben, als ich hierher gezogen bin. Ich weiß nicht seit wann, aber ich nehme an, schon sehr lange. Ich hol hier ganz oft Frühstück – die Dinkelbutterkipferl sind legendär! Sie produzieren alles selber und ich habe gehört, dass es eine der ersten Bäckereien in Wien war, die Vollkornwaren angeboten haben, interessanterweise im 15. Bezirk.
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Schweglerbrücke
Das Bild oben ist der Aufgang zur Schweglerbrücke, von der Sperrgasse weg. Zu dem kommst du, wenn du die Gasse ganz bis zum Ende raufgehst. Wenn du dann nach rechts schaust, ist da das Original-Wombats, die Jugendherberge. Das Bild unten ist der Blick auf bzw. von der Schweglerbrücke. Es ist jetzt nicht so ungewöhnlich, wenn Leute sagen, sie mögen gerne Bahnhöfe oder Flughäfen, die mag ich auch. Aber noch lieber als die Bahnhofshalle mag ich die Rückseite vom Bahnhof mit den Bahngleisen. Hier neben den Gleisen, da gibt es Lagerhallen von diversen Handelsunternehmen. Früher habe ich mir immer überlegt, dass man da Partys veranstalten könnte, so ein bisschen Berlin-Style-mäßig.