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Erfan Ali Huseini | Schuhservice
Erfan Ali Huseini, seit 1 Monat im Bezirk
Hüseyin Koc, seit 31 Jahren im Bezirk
Arnsteingasse 35
Gespräch am 23.07.2016

Mein Name ist Hüseyin Koc, 1971 bin ich aus der Türkei gekommen, damals war ich 13 Jahre alt. Als Schuhmacher habe ich angefangen, da haben die Jugendlichen noch anständige Schuhe getragen, keine Sportschuhe, Sportschuhe waren noch nicht modern. Mitte der 70er hat der Sportschuh angefangen. Heute tragen Jugendliche nur Sportschuhe. Ich habe als Schuhmacher gearbeitet bis Anfang der 80er Jahre, dann war ich im Bundesheer und als ich zurückgekommen bin, 1985, habe ich hier aufgesperrt. Seit 1985 bin ich in der Arnsteingasse.

Ich heiße Erfan Ali, ich komme aus Afghanistan und ich habe die Schuhreparatur hier in der Arnsteingasse neu übernommen. Ich habe 10 Jahre als Schuhmacher gearbeitet und dann bin ich nach Österreich gekommen. Ich bin auch ausgelernter Schlosser. Wie ich an dieses Geschäft gekommen bin? Ich habe mit einem Freund geredet, der hat mir erzählt, dass der Besitzer hier in Pension geht. Da bin ich hergekommen und habe das gekauft. Jetzt bin ich seit Juni hier. In Afghanistan und Pakistan habe ich als Schuhmacher gearbeitet, also Schuhe hergestellt, aber hier in Österreich brauchst du eine extra Prüfung, um als Schuhmacher zu arbeiten. Dafür muss man in die Schule gehen. Und für die Schuhreparatur brauchst du nur einen Lehrgang machen: den habe ich gemacht. Eigentlich mache ich alles, was zu reparieren ist. Schuhe, Taschen, Gürtel. So wie ein Schlosser, ein Schlosser repariert auch alles. Ich habe 10 Jahre als Schuhmacher gearbeitet und 6 Jahre als Schlosser. Ich bin beides. Ich werde noch einen Schlüsseldienst dazu nehmen, die Maschinen sind schon bestellt. Das sind meine Pläne. Ich werde die Schuhreparatur solange machen, wie es sich ausgeht. Meiner Meinung nach kann man alles reparieren. Ich habe Maschinen, da kann ich mit Leder arbeiten, das kann ein Schneider nicht machen.

Wie haben Sie das Geschäft gefunden?
 
Hüseyin Koc: Damals war es noch leichter, sich selbstständig zu machen, es hat sich noch gelohnt, Schuhe zu reparieren und ich habe angefangen mit der Schuhreparatur hier. In der Herklotzgasse hat es früher eine Schuhfabrik gegeben, Bertl Maierhofer, (Resi Hammerer) Trachtenanzüge und Trachtenschuhe und ich habe dort 5 Jahre gearbeitet. Die Herklotzgasse war in der Nähe und der Vorbesitzer hier ist 1985 in Pension gegangen und da habe ich gesagt: „ok, das nehme ich!“ Das sind jetzt 31 Jahre.
 
Was hat sich verändert in der Zeit?
 
Hüseyin Koc: Ich kann mich erinnern, es gab Zeiten im Winter, da sind Lastautos im 40 Zentimeter Tiefschnee von der äußeren Mariahilferstraße ohne zu lenken in der Schneespur nach unten gefahren. Oder meine alte Maschine, die haben wir über das Fenster hineinbekommen: Draußen war nur eine schmale Fußgängerspur ausgetreten im Schnee und daneben eine Wand aus 1 Meter Schnee, alles eingefroren, das war Eis. Wir haben die 300 Kilo Maschine über das Eis hereingeschoben. Früher hat es viel geschneit. Aber jetzt gibt es ja keinen Winter mehr. Nach dem Euro hat sich sowieso alles geändert. Die Schuhe sind alle viel billiger, es werden Schuhe gemacht wie Semmeln gebacken. Früher hast du für ein Paar gute Maßschuhe zwei bis drei Tage gebraucht. Heute sind nach zwei Stunden die Schuhe schon fertig.
 
Wie sah es in der Reindorfgasse aus?
 
Hüseyin Koc: In der Reindorfgasse gab es viele Geschäfte. Eine Boutique hat es oben an der Ecke zur Schwendergasse gegeben, ein Bekleidungsgeschäft. Vis à vis hat es ein Küchengeschäft gegeben, ein Handschuhgeschäft unten bei der Kirche. Es hat sich vieles geändert. Viele Geschäfte haben zugemacht. Aber angefangen hat es mit den Shoppingcentern, die haben alles kaputt gemacht. Die Shoppingcity Süd, dort hat alles angefangen, dadurch sind die kleinen Geschäfte alle kaputtgegangen.


Wir haben nur über Stammkunden gelebt. Früher hast du ein Paar Schuhe gekauft, da hast du einen ganzen Wochenlohn dafür zahlen müssen. Heute musst du rechnen: wenn du 300 EUR für ein Paar Schuhe zahlst, dann lässt du das richten. Aber wenn du für 30 EUR ein Paar Schuhe kaufst, dann richtest du das nicht mehr, die haust du weg. Bis 2000 waren hier 7 Schuhservicegeschäfte, allein unterhalb der äußeren Mariahilferstraße bis rüber zum Auer-Welsbach-Park. Danach haben die meisten zugesperrt. Auf der Sechshauserstraße ist noch einer geblieben, der macht auch Schlüssel. Momentan ist das hier in der Arnsteingasse das einzige Geschäft in der Umgebung, das noch Schuhe repariert. Aber es gibt so viele neue Einwohner, die alle Schuhe brauchen. Aber alle kaufen billige Schuhe. Billige Schuhe sind schlecht für die Füße, da ruiniert man die Füße. Aber Jugendliche wissen nichts davon.
 
Ich gehe jetzt in Pension und habe das Geschäft übergeben. Ich wünsche Huseini viel Erfolg. Aber er muss Reklame machen. Viele wissen gar nicht, dass hier ein Schuhservice ist, alle, die neu hierhergezogen sind. Ich hatte meine Stammkunden, ich habe 30 Jahre keine Reklame gebraucht. Ich habe letztes Jahr zum ersten Mal Reklame gemacht. Ich habe mir gedacht, ich verteile Flyer, weil so viele nicht wissen, dass hier eine Schuhreparatur ist. Nicht alle lassen ihre Schuhe richten, aber schon einer von tausend wäre genug. Solange mich Huseini akzeptiert wie ein Vater, wie ein Freund, kann ich ihm helfen. Aber es ist seine Sache. Ich kann ihm nur einen Rat geben, ob er dem Rat folgt oder nicht folgt, das ist seine Sache. Ich meine es nur gut. Ich wünsche ihm alles Gute!
 


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